
Maestro Mariss Jansons 1943 - 2019
Erinnerungen an Mariss Jansons
Am 14. Januar 2020 hätte Mariss Jansons 77. Geburtstag. Für uns immer noch schmerzhaft, ihn nicht mehr unter uns zu wissen.
Wir haben Musikerinnen und Musiker, Mitglieder aus dem Management und Kolleginnen und Kollegen vom Bayerischen Rundfunk gebeten, ihre Erinnerungen an ihn zu teilen…
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Karl Amadeus Hartmann-Medaille für Mariss Jansons
Im Rahmen des Gedenkkonzertes für Mariss Jansons am 15. Januar 2020 wird das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks seinem langjährigen Chefdirigenten posthum die Karl Amadeus Hartmann-Medaille verleihen – eine Ehrung, die das BRSO an menschlich wie künstlerisch herausragende Dirigenten vergibt, die das Orchester nachhaltig geprägt und unterstützt haben.
Das Orchester betont: „Unsere Verbundenheit mit dem warmherzigen Menschen und bedeutenden Dirigenten Mariss Jansons und unser großer Dank sollen damit nochmals in besonderer Weise zum Ausdruck gebracht werden.“
Karl Amadeus Hartmann hatte 1945 die Konzertreihe musica viva gegründet, die nach ihm benannte Medaille wurde bisher an Eugen Jochum, Rafael Kubelík und Sir Colin Davis sowie an Leonard Bernstein überreicht. Mariss Jansons ist damit erst die fünfte Persönlichkeit, der das BRSO die Hartmann-Medaille verleiht. Ursprünglich war die Verleihung an Mariss Jansons für den 14. Mai geplant.
Der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, freut sich über die Anerkennung, die das Orchester seinem langjährigen Chefdirigenten ausspricht: „Wir ehren Mariss Jansons. Das unvergleichliche Erbe seiner 16 Münchner Jahre wird weiter wirken, in einigen Jahren auch in dem von ihm initiierten neuen Konzerthaus München, das Maßstäbe in seinem Sinne setzen wird.“
wir trauern um mariss jansons
Viele berührende und bewegende Nachrufe waren anlässlich des Todes von Mariss Jansons zu lesen, zu hören und zu sehen, die den Werdegang und die großen Erfolge des international hochgeachteten Dirigenten wiedergaben. Aber welche Voraussetzungen brauchte es, um genau zu diesem Menschen Mariss Jansons zu werden? So, wie er uns gegenüberstand und uns in seinen Konzerten immer wieder aufs Neue begeisterte und inspirierte?
Freundschaft
Seine Offenheit – und auch seine Verschlossenheit – gegenüber Menschen mag in der frühesten Kindheit angelegt worden sein. Als seine jüdische Mutter ihn in einem Versteck im Rigaer Ghetto gebar, musste sie, wenn ihr jemand begegnete, schnell beurteilen können, ob dies ein Freund oder ein Feind war. Freundschaft bedeutete überleben.An diesen menschlichen Entscheidungen, gerade hinsichtlich seiner Zuneigungen, hielt Jansons fest, sie waren für ihn lebenslange Bekenntnisse über alle Bedrängnisse hinweg. Auch als er schon hochdekorierter Dirigent war, blieb für ihn der Begriff Freundschaft etwas Unantastbares.
Probe
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hatte er von der ersten Stunde an ins Herz geschlossen. Es blieb eine innige Verbindung, für die Jansons sogar andere bedeutende Positionen ausschlug. Den Musikern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks zuliebe setzte er sich – neben seinen grandiosen Konzerten – unermüdlich für einen neuen Konzertsaal in München ein, weil er sah, dass dieses wunderbare Orchester auf ständiger Wanderschaft mit seinen Instrumentenkisten zwischen den verschiedenen Sälen hin- und herzog. Es war geradezu eine logische Konsequenz für ihn, das Preisgeld des ihm verliehenen Ernst von Siemens-Musikpreises als Grundstock für den Saal zu stiften. Gerne wäre er bis 2024 am Pult seines geliebten Orchesters gestanden und hätte das Konzerthaus eingeweiht …
Oper und Regie
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Familie Jansons nach St. Petersburg / Leningrad, weil Arvids Jansons, sein Vater, Assistent von Jewgenij Mrawinskij wurde. Hier lebte Mariss Jansons in einem fast ausschließlich musikalischen Umfeld: Seine Mutter war Mezzosopranistin an der Oper, sein Vater Dirigent, er spielte Geige und Klavier und war schon als Kind den ganzen Tag in der Oper. Er erlebte Proben, Aufführungen mit bedeutenden Dirigenten und Inszenierungen großer Regisseure. Aus diesen Tagen resultierte seine Leidenschaft für die Oper. Später konnte er Operndirigate aus gesundheitlichen Gründen nur noch selten ausüben, zu anstrengend war die lange Probenarbeit für ihn nach einem ersten schweren Herzinfarkt 1996. Das Münchner Publikum durfte immerhin die konzertant aufgeführten Opern „Pique Dame“ und „Jewgenij Onegin“ als interpretatorische Entdeckungen aufnehmen. Geprägt haben Mariss Jansons aber von klein auf auch die großen Emotionen, das mächtige Pathos und die spannungsvolle künstlerische Dramatik, die er als Kind tagtäglich in sich aufgenommen hatte. Er wurde als Dirigent zugleich ein Regisseur am Pult, der die Spannungsfelder in der Musik aufzeigte, die große melodische Linie verfolgte, die unterschwellige Dramatik und die emphatischen Konflikte herausarbeitete. Um das zu können, war akribisches Partiturstudium erste Voraussetzung. Bis zu seinem Tod waren Mariss Jansons daher die Partituren alles. Sie erforschte er analytisch und setzte diese Erkenntnisse mit seinen Musikern um.
Partitur als klingendes Buch
Dass Mariss Jansons gerade Beethoven, Tschaikowsky, Mahler und Schostakowitsch kongenial interpretierte, lag daran, dass er im Lesen und Erarbeiten der Partitur den Kern seiner Tätigkeit sah. Es war für ihn das größte Vergnügen, wenn er etwas entdeckte, das er den Musikern mitteilen und im musikalischen Kontext herausarbeiten konnte. Wenn ihn seine Frau Irina endlich einmal zu einem Urlaub am Meer hatte überreden können, saß Mariss Jansons im Schatten über die Partituren gebeugt und las die Musik, ließ sie vor dem inneren Ohr vorüberziehen und im Kopf erklingen. Man muss sich das als ein Wandeln durch Noten und Bezeichnungen vorstellen, das mit jedem erneuten Lesen etwas anderes erfasst, etwas anderes bemerkt. Ihm war der Blick hinter die Noten wichtig, die Spannung zwischen dem Leben des Komponisten, dessen persönlicher Tragik und dem kompositorischen Echo – wie sich beides bedingte und ergänzte.
Respektvoller Umgang
Entscheidend im Umgang mit seinen Musikerfreunden zeigte sich Jansons immer respektvoll. Er war kein Diktator, das hatte er nicht nötig, seine Werkauffassung überzeugte die Musiker des Symphonieorchesters. Sie verstanden, was er bezwecken wollte und sie setzten es um. Mariss Jansons verband seine große künstlerische Präzision mit enormer Hingabe zur Musik. Diese Mischung war es dann auch, die das Verhältnis zwischen Jansons und dem BRSO so einzigartig machte. So entstand eine musikalische Liebesbeziehung, die immer wieder großartige Konzerte bewirkte, viele davon waren außergewöhnliche Ereignisse – Sternstunden.
Mehr:
Stimmen zum Tod des Chefdirigenten von Symphonieorchester und Chor des BR
Ulrich Wilhelm, Intendant des BR
„Wir trauern um einen großartigen Künstler und wunderbaren Menschen. Mariss Jansons hat Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks zu dem geformt, was sie heute sind: Sie zählen zu den besten Klangkörpern der Welt. Seine Präzision am Pult und sein von Menschlichkeit geprägter Umgang mit den Musikerinnen und Musikern machten ihn zu einem Ausnahmekünstler. Seinem unermüdlichen Einsatz ist es zu verdanken, dass in München in den nächsten Jahren ein neues Konzerthaus entstehen wird.
Der Bayerische Rundfunk wird Mariss Jansons ein ehrendes Andenken bewahren. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.“
Nikolaus Pont, Manager BR-Symphonieorchester
„Die Nachricht von Mariss Jansons‘ Tod erfüllt mich und wohl alle, die ihn kennenlernen durften, mit unfassbarer Trauer. Als Mensch und als Musiker hat er das Leben von so vielen Menschen reicher gemacht. Ich werde ihm dafür immer dankbar sein.“
Susanne Vongries, Managerin BR-Chor und der BR-Chorvorstand
„Der Chor des Bayerischen Rundfunks trauert um seinen Chefdirigenten Mariss Jansons. In Erinnerung bleiben außergewöhnliche Momente der Begegnung und tief beeindruckende Konzerte mit insbesondere großformatigem Repertoire, in dem er die Kräfte musikalisch und künstlerisch in einzigartiger Weise bündeln konnte wie kaum ein anderer. Unser tiefes Mitgefühl gehört seiner Frau Irina und der ganzen Familie.“
Orchestervorstand BR-Symphonieorchester
„Die Nachricht vom Tod unseres Chefdirigenten Mariss Jansons hat uns mit tiefer Bestürzung und großer Trauer erfüllt. Mit seinem Tod verliert die Musikwelt eine ihrer größten Künstlerpersönlichkeiten. Wir schätzen uns sehr glücklich, in den vergangenen 17 Jahren mit ihm in enger künstlerischer und menschlicher Verbindung zahlreiche unvergessliche Konzerte erlebt zu haben. Sein unerbittlicher Anspruch an sich selbst und auch an seine Musiker, sein stets respektvoller Umgang mit seinen Kolleginnen und Kollegen und seine große Hingabe an die Musik werden uns immer in Erinnerung bleiben. Mariss Jansons wird in der Geschichte unseres Orchesters einen Ehrenplatz einnehmen, wir werden ihm ein lebendiges und ehrendes Andenken bewahren.“

Mariss Jansons 1943 - 2019

Mariss Jansons 1943 - 2019

Mariss Jansons 1943 - 2019