
Salonen dirigiert Sibelius
Konzerte am 5./6./8.10.2017 mit Anton Barakhovsky
und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in München
PROGRAMM
Kaija Saariaho
„Lumière et pesanteur“
Jean Sibelius
Symphonie Nr. 6 d-Moll, op. 104
Pause
Esa-Pekka Salonen
Violinkonzert
Jean Sibelius
Symphonie Nr. 7 C-Dur, op. 105
Esa-Pekka Salonen, Dirigent
Anton Barakhovsky, Violine
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
FOKUS: FINNLAND
Ein Programm ganz im Zeichen Finnlands präsentiert der finnische Pultstar Esa-Pekka Salonen beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem er seit 1984 eng verbunden ist. Im Zentrum stehen zwei Symphonien des bedeutendsten finnischen Symphonikers Jean Sibelius. Zu entdecken gibt es an diesem Abend zunächst die sechste Symphonie in d-Moll, die hierzulande fast nie gespielt wird. Was völlig unverständlich ist, hat Sibelius in diesem sakral getönten Werk doch zu einer Innerlichkeit und Gesanglichkeit gefunden, die unmittelbar zu Herzen geht. Ein Jahr später, 1924, vollendete Sibelius seine siebte und letzte Symphonie, die streckenweise an Bruckners Monumentalität erinnert und sich am Ende zu hymnischen Klängen in reinstem C-Dur weitet. Dazwischen interpretiert der Erste Konzertmeister des Symphonieorchesters, der russische Geiger Anton Barakhovsky, den virtuosen Solopart im Violinkonzert aus der Feder des Dirigenten. Als Komponist hat sich Salonen mit einer klangsinnlichen Musik profiliert, die für ein breites Publikum zugänglich ist. Sein Violinkonzert ist ein Werk des Abschieds, das 2009 zum Ende seiner Ära beim Los Angeles Philharmonic entstand und mit heftig groovenden, suggestiven, ja magischen Klängen aufwartet. Perfekt passt auch das Eröffnungsstück ins Programm: Ebenfalls 2009 arrangierte die finnische Komponistin Kaija Saariaho die achte Station aus „La Passion de Simone“, ihrem Oratorium über das Leben der Philosophin Simone Weil, als eigenständige Orchester-Miniatur für Salonen – „Lumière et Pesanteur“ hebt die Gegensätze von Licht und Schwerkraft in mystisch-kosmischen Sphären auf.
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Donnerstag, 5.10.2017, 20:00 Uhr, München, Gasteig, Konzerteinführung um 18.45 Uhr
Freitag, 6.10.2017, 20:00 Uhr, München, Gasteig, Konzerteinführung um 18.45 Uhr
Sonntag, 8.10.2017, 19:00 Uhr, München, Gasteig, Konzerteinführung um 17.45 Uhr
Tickets telefonisch bestellen: +49 89 5900 10880 (BRticket)
Ein Vorgeschmack: Konzertvideo von Salonen von 2015
Esa-Pekka Salonen dirgierte am 16. Januar 2015 bereits Sibelius‘ Symphonie Nr. 5, eingebettet in ein rein nordisches Programm, mit weiteren Werken von Hillborg und Grieg. Solistin beim Klavierkonzert von Grieg war Alice Sara Ott.
Esa-Pekka Salonen im Interview
Sylvia Schreiber war anlässlich der Konzerte am 15. und 16. Januar 2015 im Gespräch mit dem Dirigenten.
Esa-Pekka Salonen hat darüber hinaus in einem Video des Philharmonic Orchestra London über sein Violinkonzert gesprochen.
Solo-Geiger Anton Barakhovsky

Seit 1. Oktober 2009 ist Anton Barakhovsky Erster Konzertmeister der Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Bei den Konzerten spielt er das von Salonen komponierte Violinkonzert. Renate Ulm sprach mit ihm vorab (das Interview wird auch im Programmheft erscheinen).
Zwischen Perpetuum mobile und Insel der Stille
Renate Ulm Herr Barakhovsky, Sie sind Erster Konzertmeister des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Vom Ersten Pult aus gestalten Sie das musikalische Geschehen im Orchester entscheidend mit. Jetzt erleben wir Sie wieder als Solisten mit dem Violin Concerto von Esa-Pekka Salonen. Wie sind Sie auf das Konzert aufmerksam geworden?
Anton Barakhovsky Vor fünf Jahren dirigierte Esa-Pekka Salonen bei uns ein Konzert (7./8. Juni 2012 u.a. mit seinem Orchesterwerk Nyx, A.d.R.). Wenige Tage später hatte er einen Auftritt beim NDR-Sinfonieorchester, und er erzählte, dass dort sein Violinkonzert gespielt werden würde. Das hat mich natürlich sofort interessiert, und da ich nach den Konzerten in München sowieso zu meiner Familie nach Hamburg flog (lustiger Weise im selben Flugzeug wie er), konnte ich das Konzert sogar besuchen.
RU Wie war Ihr erster Eindruck von diesem Werk?
AB Das Violin Concerto hat mir sofort sehr gut gefallen, und ich bat Esa-Pekka Salonen, mir die Noten zu schicken, damit ich mir das Werk genauer ansehen konnte. Ich wollte wissen, wie schwer es ist und wie es im Detail komponiert ist. Damals fehlte mir aber die Zeit, es intensiver zu studieren. Als ich dann vor einigen Monaten die Programmplanung für die neue Saison des Symphonieorchesters durchsah, entdeckte ich, dass dieses Konzert jetzt auch bei uns gespielt werden soll.
RU Aber da waren Sie noch nicht als Solist vorgesehen?
AB Als Salonen erstmals in der Elbphilharmonie dirigierte, ging ich nach dem Konzert zu ihm und sagte ihm, dass ich mich schon sehr auf sein Violin Concerto in München freue. Von ihm erfuhr ich, dass es nun doch nicht aufgeführt würde, weil keiner der fünf angefragten Solisten konnte. Da schoss mir durch den Kopf: »Ach, fragen Sie doch mich!« Aber ich wollte nicht unhöflich sein und ihn nicht in eine Situation bringen, in der er vielleicht nicht mehr hätte ablehnen können. Deshalb sprach ich diesen Gedanken nicht aus.
RU Wie kam es dazu, dass Sie nun der Solist in diesem Konzert sind?
AB In München habe ich mit den Musikerkollegen vom Künstlerischen Beirat und mit dem Orchestermanager Nikolaus Pont gesprochen, der dann bei Salonen anfragte. Innerhalb von 24 Stunden kam die Antwort, dass er mit mir sehr einverstanden sei.
RU Und dann haben Sie sich sofort auf die Noten gestürzt?
AB Als ich im Februar 2017 mit der Ballettkompanie von John Neumeier nach Washington flog, um dort in Lera Auerbachs The Little Mermaid zu spielen, wollte ich in der freien Zeit in Ruhe mit dem Üben des Salonen-Konzerts beginnen. Schon am ersten Tag dachte ich: »Meine Güte ist das schwer….« Dabei klingt es beim Anhören sehr verständlich, durchsichtig und auch nicht übermäßig schwer.
RU Wo liegen die besonderen Schwierigkeiten im Solo-Part?
AB Salonens Schreibweise ist sehr ungewöhnlich. Er verwendet oft die mixolydische Tonleiter, die für das europäische Ohr etwas fremd klingt, in der indischen Musik dagegen sehr häufig vorkommt. Diese Tonart bedarf einer sehr speziellen Grifftechnik. Man muss sich wirklich Zeit nehmen, um das in die Finger und die Ohren zu bekommen. Ich wollte das Konzert vor den Sommermonaten so richtig auseinandernehmen, damit ich in meinen Ferien nicht zu viel üben muss, denn man braucht ja die Sommerpause zum Erholen und für die Familie ‒ vor vier Monaten kam mein drittes Kind auf die Welt. Mein Plan ging auch fast auf, aber ich wollte das Werk in den Ferien dann doch nicht ganz aus den Augen verlieren und habe jeden Tag bis zu zwei Stunden geübt, weil es mir lieber war, das Werk rechtzeitig in den Griff zu bekommen.
RU Formal auffallend für die Gattung ist, dass das Konzert vier Sätze hat. Da denkt man natürlich an das Zweite Klavierkonzert von Brahms, der den Rahmen möglicherweise als erster gesprengt hat. Kennen Sie aus Ihrer reichen Erfahrung am Pult noch ein anderes viersätziges Konzert?
AB Nein, eigentlich nicht. Kein klassisches Violinkonzert hat vier Sätze, vielleicht gibt es ein weiteres modernes Werk mit vier Sätzen, aber mir fällt im Moment keines ein. Außerdem merkt man gar nicht, dass es vier Sätze sind, denn die ersten drei schließen immer attacca an, nur vor dem letzten Satz gibt es eine kleine Pause.
RU Das nächste Ungewöhnliche ist, dass Sie als Solist das Werk beginnen. Auch hier gibt es mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 ein Vorgängerwerk. Bei Beethoven war es der selbstbewusste Komponist, der das erste Wort haben wollte. Wie kann man in Salonens Konzert diese nahezu ununterbrochene Violinstimme interpretieren?
AB Der erste Satz heißt Mirage (Trugbild) und beginnt gleich mit Sechzehnteln. Das muss richtig aus dem Nichts kommen, anfangs noch ohne Konturen, bis sich dann allmählich das Wesentliche herauskristallisiert. Es fängt auch im Piano auf der hohen E-Saite an, dazu muss der Bogenstrich ganz leicht sein. Es ist eine Art Perpetuum mobile, man spielt fast ununterbrochen.
RU Die beiden Pulse-Sätze tragen zwar bis auf die Nummerierung den gleichen Titel sind aber grundsätzlich unterschiedlich gebaut. Pulse I könnte man als traditionellen langsamen Satz bezeichnen, der von Flageolett-Kadenzen des Solisten gerahmt wird. Ist er eine Insel der Ruhe, auch für den Solisten, zum Erholen vor dem nächsten Ausbruch?
AB In diesem Satz geht es nicht um Technik, sondern um eine friedliche Atmosphäre. Es ist ein riesiger Kontrast zu den anderen beiden Sätzen. Auf Fortissimo-Akkorde folgt diese ungewöhnliche Stille. Das ist schon eine Kunst, nach dieser wirbelnden Musik wieder zur Ruhe zu kommen. Aber es ist auch eine Ruhe vor einem großen Sturm. Zu der Kadenz zwischen erstem und zweitem Satz notiert Salonen übrigens in der Partitur, dass sie der Solist auch frei gestalten, also improvisieren darf.
RU Pulse II hat Scherzo-Charakter und erhält ein Zusatzinstrument: ein Drum-Set. Gerade dieses Instrument aus der Populärmusik bringt eine besondere Klangfarbe mit hinein. Hat das etwas Spezielles zu bedeuten?
AB Dieser Satz ist sehr rhythmisch orientiert. Ich habe Salonens Kompositionen Nyx und Karawane gespielt: Er schreibt immer sehr rhythmische Musik. Die Musik spricht von pulsierendem Leben, von einer Großstadt in den USA, etwa New York mit seinem Lärm, der einen fast verrückt machen und den man irgendwann kaum mehr ertragen kann. Ich habe dort fast ein Jahr gelebt, ich kenne das. Das Drum-Set ist das Symbol für die Großstadt und ihren eigenen Puls.
RU Der letzte Satz, Adieux, ist ein großer Abschied. Salonen war gerade 50 Jahre alt, als er dieses Konzert komponierte. Ist dieser Satz ein wehmütiger Blick vom Zenit des Lebens zurück?
AB Es ist ein wunderschöner Satz und vollkommene Musik. Da gibt es einige Stellen, an denen man richtige Gänsehaut bekommt. Ich glaube, ich werde diesen Satz sehr genießen. Der Schluss ist ganz ungewöhnlich. Eigentlich könnte man sich schon nach dem dritten Satz vorstellen, dass das Konzert zu Ende ist. Das ist ein Knaller, auch für das Publikum.
RU Das Prinzip erinnert an die Sechste von Tschaikowsky, an die Pathétique?
AB Ja, das kann man sagen! Da folgt auf diesen effektvollen Satz noch ein langsamer. Der Schlussakkord erklingt im Fortissimo. Dieser letzte Akkord stehe ‒ wie Salonen schreibt ‒ für einen neuen Aufbruch. Er war selbst überrascht, wohin ihn die Musik geführt hat. Es scheint mir fast, als ob ihn sein 50. Lebensjahr dann doch nicht so melancholisch gestimmt hätte. Dieser lang gehaltene Schlusston im Fortissimo hat schon was!
RU Das Konzert wurde schon mehrfach choreographiert. Eignet es sich dazu?
AB Wie ich schon gesagt habe, arbeite ich immer wieder mal mit der Ballettkompanie John Neumeier in Hamburg zusammen und habe schon mehrere Produktionen gespielt und etwas Erfahrung mit dem Ballett. Interessanterweise, ohne zu wissen, dass das Konzert bereits choreographiert wurde, habe ich darüber nachgedacht, ob sich diese Musik für eine Ballettaufführung eignen würde. Und jetzt erfahre ich, dass dies genau mit diesem Violin Concerto schon geschehen ist (lacht). Ja, ich kann mir das bei dieser sehr rhythmischen, sehr beweglichen Musik gut vorstellen. Man kann, wenn man viel Fantasie hat, sich auch mehrere Charaktere vorstellen.
RU Die Bezüge zu klassisch-romantischen Komponisten bedeuten, dass sich Salonen in dieser Traditionsreihe sieht. Was ist für Sie das Besondere, das Außergewöhnliche, das Auffallende an diesem Werk?
AB Mir gefällt an dem Werk am besten, dass es wirklich Musik ist, es gibt keine ungewöhnlichen Klänge und Geräusche, die man produzieren muss. Es gibt herrliche Melodien und wunderbare Harmonien ‒ dennoch ist es sehr modern.
RU Herzlichen Dank für das Gespräch!
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Donnerstag, 5.10.2017, 20:00 Uhr, München, Gasteig, Konzerteinführung um 18.45 Uhr
Freitag, 6.10.2017, 20:00 Uhr, München, Gasteig, Konzerteinführung um 18.45 Uhr
Sonntag, 8.10.2017, 19:00 Uhr, München, Gasteig, Konzerteinführung um 17.45 Uhr
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