BRSO Mariss Jansons (c) BR/Peter Meisel

Vom Konzertsaal ins Radio

Aufnahmen aus dem reflexionsarmen Raum

Seit der Entwicklung der ersten Mikrofone haben sich viele Philosophien entwickelt, wie man eine klassische Musikaufnahme am besten erstellt. Immer neue Prinzipien und Ideen werden auf Tonmeister-Fachtagungen weltweit diskutiert.

Um einen möglichst authentischen Eindruck vom menschlichen Hören einzufangen wurden schon in den 1930er Jahren die ersten Kunstköpfe entwickelt. Dahinter steckt die Idee, einen menschlichen Kopf inklusive Ohrmuschel und Gehörgang nachzubilden. Anstelle des Trommelfells werden zwei Mikrofone in den Plastik-Kopf eingebaut, die das Hören simulieren. Kunstkopfaufnahmen, nähern sich dem originalen Hören vor allem in der beeindruckenden Stereo-Auflösung sehr gut an. Den optimalen Höreindruck erzielt man allerdings nur, wenn man sich die Aufnahmen über einen Kopfhörer anhört.

Im ersten Musikbeispiel hören Sie eine solche Kunstkopfaufnahme: der „dummy head“ wurde hier hinter und über dem Kopf des Dirigenten Mariss Jansons platziert. Die Lokalisation in der Vertikalen und auch die Tiefenstaffelung sind dabei allerdings weniger authentisch. Auch die Raumwirkung entspricht nicht genau dem, was der Dirigent wirklich an seinem Platz beim Dirigieren hört. Daher werden Kunstkopf-Aufnahmen vorwiegend zu Dokumentations- und Meßzwecken verwendet und nicht für Musikaufnahmen oder Radioübertragungen.

Warum positioniert man nicht einfach zwei Mikrofone im Herkulessaal, um das Konzerterlebnis einzufangen, wie im zweiten Hörbeispiel? Leider würde den beiden Mikrofonen etwas Entscheidendes fehlen: das menschliche Auge. Da unser Gehirn die beiden Sinne Hören und Sehen kombinieren kann, fokussiert sich die Aufmerksamkeit des Konzertbesuchers automatisch auf das Schallereignis im Blickfeld. Das bedeutet für den Zuhörer im Konzertsaal, dass er während des Musikhörens gleichzeitig auch Zuschauer ist: wenn wir also dem Oboisten bei seinem Solo zusehen, kann das Ohr die Musik deutlicher und klarer hören. Eine Aufnahme mit nur zwei Saalmikrofonen am Platz des Zuhörers liefert daher nicht das gewünschte Ergebnis. Die Oboe scheint in diesem Musikbeispiel weiter entfernt zu sein.

Daher benötigen wir für Konzertübertragungen sehr viel mehr als nur ein Mikrofonpaar. Hörfunkübertragungen von Symphoniekonzerten auf BR KLASSIK entstehen mit einem Hauptmikrofon, das den Gesamteindruck einfängt, und vielen zusätzlichen Mikrofonen (den sogenannten „Stützmikrofonen“), die die Klarheit im Sinne der Partitur unter-„stützen“.

Sie hören einen Probenausschnitt aus Sergei Rachmaninovs 3. Symphonischen Tanz op. 45.