»KLEINE TROMMEL ÜBEN IST WIE SPORT«

Education 2018 Trommel

Guido Marggrander gehört zu den besten Schlagzeugern der Welt. Seine Laufbahn begann mit ein paar Beatles-Songs – und einer Lehrerin, die seinen Ehrgeiz weckte. Von Florian Zinnecker.

»Die Schulband hat einen Drummer gesucht. Wobei, Schulband klingt fast zu groß: Ich war zwölf, zwei Freunde hatten eine Gitarre, und wir fanden, eine Band wäre cool. Von meinem Geburtstagsgeld habe ich mir dann ein Drumset zusammengespart – ohne Unterricht gehabt zu haben, ohne Ahnung, ob ich das überhaupt kann.

Die ersten Töne rauszuholen ist eigentlich ganz einfach. Ein einzelner Schlag auf eine Trommel klingt sowieso fast immer gleich, egal ob ihn ein Anfänger setzt oder ein Profi. Wir haben Songs gespielt: Beatles, Like a Rolling Stone, 70er-Pop. Aber je weiter man geht, desto schwieriger wird es. Den Ausschlag, mich um die technischen Feinheiten zu kümmern, gab meine sensationell gute Musiklehrerin im Gymnasium. Ich wollte Musik-Leistungskurs belegen, sie sagte: Gut, aber dann musst du im Abitur Schlagzeug vorspielen, und es wird nicht reichen, dein Drumset aufzubauen und ein bisschen herumzutrommeln. Noten lesen konnte ich schon aus dem Blockflötenunterricht, ich habe mich auch wahnsinnig für klassische Musik interessiert.

Und dann hatte ich mit 16 meinen ersten Unterricht – was insofern mühsam war, als ich erstmal lesen lernen musste, was ich schon längst trommeln konnte. Das Manuelle war da, das Intellektuelle musste ich aufholen. Das bedeutete: weg vom Drumset, volle Konzentration auf die Kleine Trommel. Die ist auch die Visitenkarte bei Schlagzeugern. Wenn einer hervorragend trommelt, kann man davon ausgehen, dass er auch die anderen Sportarten sehr gut beherrscht – unser Bereich ist ja unglaublich vielseitig.

Guido Marggrander in seiner Jugend am Drumset.

Seit ich fest im Orchester engagiert bin, habe ich kein einziges Mal mehr am Drumset gespielt. Aus einem einfachen Grund, der vielleicht ein bisschen arrogant klingt: Wenn man die Möglichkeit hat, in so einem tollen Orchester wie unserem Musik zu machen, dann will man nicht an einem Drumset dilettantisch herumalbern. Was andere, die es als Hobby betreiben, teilweise tausendmal besser machen, von Profis ganz zu schweigen. Meine Ansprüche an mich selbst sind so hoch, dass ich sie nicht erfüllen kann. Dann habe ich mehr Spaß daran, phänomenalen Drummern zuzuhören, und lasse es lieber.

Jeder von uns hat Stärken und Schwächen, aber wir haben alle das Ziel, in der Breite sehr gut aufgestellt zu sein – so unterschiedlich die Problematiken auch sind, denen man sich mit den einzelnen Instrumenten stellen muss. Ein Xylophon-Stück ist ja etwas völlig anderes als ein Trommelwirbel oder ein Beckenschlag. Mit der Triangel und den Becken muss man sich ein bisschen auseinandersetzen, man muss Meilen sammeln. Üben ist da der falsche Ausdruck.

Kleine Trommel üben ist eher wie Sport. Man muss die Muskeln trainieren, die Geschmeidigkeit, die Souveränität, auch heikle Sachen spielen zu können. Die meiste Zeit verbringe ich mit Grundlagen. Ich versuche meine Technik permanent auf so hohem Niveau zu halten, dass ich neue Stücke gar nicht exzessiv üben muss. Tag für Tag übe ich einfachste Schlagabfolgen auf der Kleinen Trommel, die jeder Schlagzeugschüler in der ersten Stunde lernt: rechts-links-rechts-links-rechtsrechts-linkslinks – in verschiedenen Dynamiken, verschiedenen Tempi, immer wieder, das ist das Beste, was man machen kann, um die Muskulatur geschmeidig zu halten. Man weiß natürlich mit den Jahren besser, wie man übt, und auch, womit man viel Zeit vergeuden kann. Aber letztlich ist Üben bei uns musikalisches Muskeltraining.

Der Weg, den ich gegangen bin, war ein Riesenumweg. Das geht heute viel einfacher: indem man an einer Musikschule einen guten Lehrer findet, der einem einerseits eine gute Technik beibringt und einen andererseits fürs Instrument begeistert. Und der seine Schüler so früh wie möglich in die Lage versetzt, mit anderen zusammenzuspielen. Das hat mir damals den entscheidenden Kick gegeben.«

Guido Marggrander (c) Astrid Ackermann